Wie seit einigen Jahren üblich stellte ein wohlbekannter Hersteller besonders edel anmutender Radsportbekleidung für notorisch stilorientierte Athleten ebensolchen den Ritterschlag durch ein gesticktes Abzeichen in Aussicht, falls sie eine Distanz von (mindestens) 500 km im Zeitraum vom 24. Bis zum 31.12. zurückzulegten und ihre Großtaten ausreichend belegen konnten.
Wie in den vergangenen beiden Jahren fehlte mir auch dieses Weihnachten ein „vernünftiger“ Grund, über die Feiertage unverhältnismäßige Trainingsumfänge zu absolvieren. Daher halfen mir die Festive 500 als Begründung sowie Motivation, das überbordende Nahrungsangebot mit einem nicht weniger abartigen Trainingsumfang zu kombinieren.
Glücklicherweise wusste ich mit BW einen weiteren Anhänger vernünftigen Trainings an meiner Seite. Das dauerhaft als hervorragend gemeldete Wetter versprach außerdem Bedingungen, wie man sie zu dieser Jahreszeit sonst eher auf Mallorca erwarten würde. Die Vorzeichen für ein besinnliches Weihnachtsfest konnten also nicht besser sein.
Tag 1 – Zwei Idioten, ein Gedanke.
Die Streckenplanung für den ersten Tag gestaltete sich äußerst simpel. Als Brüder im Geiste äußerten BW und ich simultan den Gedanken, am Heiligen Abend der Europastadt Straßburg einen Besuch abzustatten. Demgemäß setzten wir die Segel gen Südwesten und stellten schnell fest, dass der Wind unaufhörlich aus ebendieser Richtung blies. Unseren christlichen Moralvorstellungen frönend, teilten wir unser Leid brüderlich, indem wir uns abwechselnd Windschatten spendeten. So erreichten wir einigermaßen stressfrei wenngleich erleichtert, den Gegenwind überwunden zu haben, die Ausläufer Straßburgs.
Nachdem wir dezent gestresst die Straßburger Innenstadt durchquert hatten, durften wir noch feststellen, dass die europäischen Behörden komplett verwaist dalagen, weil alle Parlamentarier ihren christlichen Glauben in der Kirche unter Beweis stellen mussten. Nun hatten wir die ersten 100 km absolviert und genossen weitere 100 km mit Rückenwind auf den wenig befahrenen Straßen des Elsass. Ein Hinterradplatten von BW sorgte für einen kurzen Moment der Andacht und gab mir die Chance, BW die korrekte Technik zum Aufrollen von Fahrradschläuchen zu demonstrieren.
In Karlsruhe hatte ich mein erstes Tagesziel, 200 km in den Beinen zu haben, erreicht und verabschiedete BW, der noch einen freudigen Heimweg bis nach Kuppenheim im Gegenwind vor sich hatte. Mein zweites Tagesziel, das große Familienessen, war mit dieser gelungenen Vorbereitung natürlich ein Kinderspiel und da ich größtenteils damit beschäftigt war, zu kauen, war ich außerstande mit zynischen Kommentaren die Stimmung zu belasten.
Tag 2 – Wer viel verbrennen will, muss auch viel zuführen
Während der Rückfahrt von Straßburg hatten BW und ich im Angesicht des in der Ferne glühenden Schwarzwaldes bereits grobe Pläne für den ersten Weihnachtsfeiertag geschmiedet. Das Mindestziel des Tages waren 150 km und wir stimmten darin überein, dass wir dem Murgtal im Rahmen der Festive 500 dringend einen Besuch abstatten sollten.
BW, der am Vortag gute 240 km abgespult hatte und für die Routenplanung verantwortlich war, sammelte ich auf dem Weg ein und der zweite Tag der Festive 500 war offiziell eröffnet.
Während ich mich an Tag 1 noch mit Rohkostriegeln und Sesamkrokant begnügt hatte, war ich nun kulinarisch exquisiter aufgestellt. Ein Arbeitskollege hatte mir zu Weihnachten leckere schokoladenfreie Nussecken und Linzer Schnitten vermacht, die sich gut zum Transport in der Trikottasche eigneten und somit dazu auserkoren wurden, meinen Appetit während der Tour zu stillen.
BW’s Trainingshunger war bereits nach den vereinbarten 150 km verflogen, aber die Runde war von ihm glücklicherweise so angelegt worden, dass ich meinen Heimweg noch etwas verlängern konnte, um meinen Rückstand aufzuholen und zu verhindern, dass die letzten Nussecken den Weg auf die Hüfen finden konnten. An den Windbedingungen hatte sich nichts geändert und nach den Höhenmetern des Tages, war ich froh, während der letzten 40 km einen ordentlichen Rückenwind genießen zu dürfen. Letztendlich beendete die hereinbrechende Dunkelheit meinen Trainingstag nach 215 km.
Tag 3 – Konfrontation mit den Dämonen der Vergangenheit
Am dritten Tag machte ich mich wieder bei besten Wetter auf den Weg zum gewohnten Treffpunkt mit BW, um eine Tour mit einigen Höhenmetern im Schwarzwald und Rebland zu absolvieren und die Festive 500 zu beschließen.
Die Routenplanung durchs Rebland lief letztendlich auf eine Konfrontation mit den Dämonen meiner Vergangenheit hinaus. Ebenfalls in Begleitung von BW hatte ich hier einstmals einen schweren Tag auf dem Rad durchlebt. Trotz der Touren der ersten beiden Tage war ich jedoch zuversichtlich, diese Herausforderung zu meistern, denn ich hatte zwischenzeitlich meine Übersetzung entsprechend angepasst.
Die bergige Route verhinderte auch, dass wir uns näher mit dem Südwestwind befassen mussten, während wir trotzdem in südlicher Richtung unterwegs waren. In gemächlichem Tempo näherten wir uns schließlich der großen Herausforderung des Tages: dem Anstieg zur Burg Windeck.
Der Anstieg war länger als gedacht und wurde möglichst hart gefahren, um nicht unnötig lange leiden zu müssen. Oben wartete die nächste Verpflegung bei tollem Ausblick und in der angenehmen Gesellschaft eines Kriegerdenkmals. Genau die richtige Atmosphäre, um uns zu erholen, selbst zu feiern und darüber zu beklagen, wie kaputt wir waren.
Einen guten Eindruck hinterließen wir auch bei den anwesenden Passanten, als wir uns anschließend auf einen kurzen Singletrail begaben, um den nebenan auf dem Aspahalt herumrollenden Mountainbikern besonders eindrucksvoll unser fahrtechnisches Können zu demonstrieren und wenigstens verständnisloses Kopfschütteln zu ernten.
Das Wetter und der Rückenwind machten den Zieleinlauf letztliche zur reinsten Freude. So konnten BW und ich die Festive 500 2015 erfolgreich innerhalb von drei Tagen absolvieren.
Tag 4 – Das adaptive Fahrwerk am Rennrad
Nach einem Ruhetag, wollte ich das gute Wetter nutzen, um weiter fleißig Kilometer zu sammeln. BW war aufgrund einer geplanten HM-Teilnahme zu Silvester physisch leider nicht mehr dabei, aber zumindest im Geiste mein treuer Begleiter. Diesmal verschlug es mich wieder ins Murgtal. Zum Mittagessen war ich schließlich im Wintersportort Herrenwies angelangt. Mein frugales Mahl konnte ich in angenehmer Frühlingssonne genießen und mich sodann in die Abfahrt Richtung Bühlertal stürzen.
Während selbiger wurde ich Zeuge des vermutlich ersten intelligenten Fahrwerkes im Rennradbereich. Infolge der einwandfreien Buckelpiste brach während der Abfahrt mein Flaschenhalter so, dass die Flasche sicher weiter nach unten ins Rahmendreieck rutschte und meinen Schwerpunkt entschieden verbesserte. Eine tolle Erfahrung, wenn selbiges bei Geschwindigkeiten jenseits der 70 km/h passiert.
Von weiteren Zwischenfällen verschont, kam ich jedoch sicher wieder nach Hause und hatte insgesamt 700 km absolviert.
Tag 5 – Die Kalmit ruft
Via Facebook hatte ich von einer Gruppe gehört, die eine schöne Tour in die Pfalz unternehmen wollte, der ich mich anschließen wollte. Leider war ich reichlich spät dran, was mich zu einer etwas ruppigen Fahrweise im Straßenverkehr verleitete, die beinahe hart bestraft worden wäre. Eine für den Radverkehr in beide Richtungen freigegebene Einfahrtstraße nutzend, landete ich an einer Kreuzung auf der Motorhaube einer hübschen Limousine, der ich in meinem Tunnel fahrend, die Vorfahrt genommen hatte. Glücklicherweise blieben das Auto und dessen Insassen unverletzt, sodass ich ohne größere Schwierigkeiten meinen Weg fortsetzen konnte.
Nun hatte ich durch diesen Vorfall natürlich noch mehr Zeit verloren und mich schon damit abgefunden, alleine fahren zu müssen, als ich wenig später doch noch die Gruppe erreichte. Die Debatte über die Streckenführung war noch nicht abgeschlossen und so konnte ich noch korrigierend eingreifen und die Kalmit als Tagesziel bewerben. Dort, so meine Hoffnung, würden wir majestätisch über dem tiefliegenden Nebel die Sonne genießen können.
Der Plan ging auf und nach den Temperaturen um 5° C in der Ebene, badeten wir bei geschätzten 15° C Lufttemperatur an Kalmit sowohl in der Sonne sowie kurz darauf in unserem Schweiß. Die Abfahrt wurde daher umso unangenehmer und es dauerte etwas, bis wir uns mithilfe einer flotteren Fahrweise wieder aufgewärmt hatten. Nach guten fünf Stunden Fahrtzeit und etwas mehr als 145 km gelangte ich schließlich wieder in Karlsruhe an.
Tag 6 – Festive 500 x 2
Da mir nur noch gute 140 km fehlten, um die Schallmauer von 1000 km in sieben Tagen bzw. sechs Trainingstagen zu durchbrechen, lag das Ziel für diesen Tag auf der Hand. In Anlehnung an den außerordentlich erfolgreichen zweiten Tag, wollte ich das Murgtal wieder bis Baiersbronn erklimmen, um dann landschaftlich gediegen über das Poppeltal ins Enztal abzufahren und über das Albtal den Heimweg anzutreten.
Meine Beine waren leider nicht so richtig erholt und trotz der Sonne war es in der Höhe und den Tälern richtig kalt.
Da ich wieder alleine unterwegs war, musste ich mich mithilfe meiner letzten Energieriegel noch einmal anständig motivieren. Letztendlich erreichte ich ebenso erschöpft wie zufrieden nach 146 km wieder mein Zuhause und hatte damit die Festive 500 doppelt absolviert.
Somit war das große Ziel der Saison 2016 schon von 2016 unter Dach und Fach, sodass ich mich nun nach einer Erholungspause dem Formaufbau für 2017 widmen kann.
Wieder sehr bildhaft geschrieben -da bekommt man wieder Lust dasselbe zu wiederholen !
Allerdings hätte die „kleine“ Pizza auch noch Erwähnung verdient gehabt 🙂
Ich wusste doch, dass ich etwas Wichtiges vergessen habe! 😀
Ganz schmerzfrei ging das wohl nicht ab. Besonders nett finde ich das schwimmend gelagerte Ausgleichsgewicht direkt über dem Tretlager. Muss ich mal am Hardtail ausprobieren. Die Dämpfung lässt sich ja durch Veränderung der Flüssigkeit (Menge und Art) individuell einstellen.
Bleibt auch die Frage, ob Du den Aufnäher jetzt doppelt bekommst?
Experten sprechen von einem gravitationsaktiven Fluidsystem.
Zur Sicherheit habe ich das Formular für den Aufnäher zwei Mal abgeschickt! 😉